6:40 Minuten sind ausreichend
24. April 2018
Manchmal können Sekunden ein ganzes Leben verändern. Der zufällige Zusammenstoß mit dem künftigen Traumpartner, der Geistesblitz mit dieser packenden Idee oder das Jobangebot auf die innerlich schon abgehakte Bewerbung.
Wer einmal die Meilensteine seines Lebens oder seiner Karriere zurückverfolgt, wird feststellen, dass die wesentlichen Richtungswechsel irgendwie immer innerhalb weniger Sekunden stattfanden. Und wer an seine Karriere denkt, der kann sich auch an diese unzähligen Präsentationen erinnern, die in 30, 45 oder 60 Minuten lediglich den eigenen Gemütszustand von „wach und aufmerksam“ zu „müde und gelangweilt“ verändert haben.
Die goldene Regel einer guten Präsentation lautet: „Langweile niemals das Publikum“.
Hat jeder schon einmal gehört, hält sich nur leider kaum jemand dran. Präsentationen in Unternehmen sind meist eine absurde Mischung aus den beiden Extremen „ich will nicht aber jemand zwingt mich hier zu präsentieren“ und „schaut her wie toll ich bin, was ich alles weiß und bewundert meine 3D PowerPoint Zeichenobjekte“. Beide Extrempositionen lenken vom eigentlichen Thema ab, erzeugen nutzlosen Informationsballast und führen dazu, dass Präsentationen unnötig lang und damit leider langweilig werden.
Es gibt einen guten Grund, weshalb bei professionellen Rednerveranstaltungen die Zeit pro Redner meist auf 20 – 30 Minuten beschränkt ist (mit aktueller Tendenz nach unten). Die sehr populären TED-Talks sind z.B. immer maximal 20 Minuten lang, obwohl da teilweise wirklich sehr gute Redner mit sehr hoher Fachkompetenz auftreten, denen man gerne auch einmal länger zuhört. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Herz- und Atemfrequenz des Publikums innerhalb von 45 Minuten im Ruhezustand deutlich absinkt. Damit einher geht ein Verlust an Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit.
Es existiert jedoch ein Gegentrend.
StartUps die vor Investoren pitchen haben meist nur wenige Minuten zur Verfügung, um an das begehrte Kapital zu kommen. Der sog. Elevator-Pitch, eine Präsentation von der Dauer einer Fahrt mit dem Aufzug, ist mittlerweile Standard in jedem Business-Training. Und immer populärer werden spezielle Präsentationsformate wie Pecha Kucha oder O’Reillys Ignite®.
Pecha Kucha Präsentationen wurden erstmals in Japan durchgeführt. Der Redner präsentiert 20 Folien, wobei jede Folie für genau 20 Sekunden zu sehen ist, bevor automatisch die nächste Folie erscheint. 20 Folien zu je 20 Sekunden ergibt eine Gesamtdauer von 6:40 Minuten je Präsentation.
Für das Publikum hat dieses Format den großen Vorteil, dass in der kurzen Zeit die Konzentration nicht so stark absinkt wie bei einer 45 Minuten Rede. Zudem wirkt die Präsentation flüssig, da sie in einem konstanten Takt von 20 Sekunden pro Folie vorgetragen wird. Und natürlich existiert auch der Vorteil, dass bei einem uninteressanten Thema der Spuk nach 6:40 Minuten vorbei ist.
Der Redner wiederum profitiert von diesem Format weitaus mehr.
20 Folien, idealerweise nur Bilder und keine Textfolien, bedeutet, dass man tief in sein Thema eintauchen muss. Es dürfte für die Meisten kein Problem sein, über ihren Beruf oder ihr Hobby Stunden zu referieren. Aber 20 Bilder zu diesen Themen zu finden ist eine Herausforderung und zwingt in den meisten Fällen dazu, auch über den Tellerrand zu schauen.
Für jede Folie genau 20 Sekunden Redezeit zu haben erfordert es natürlich auch, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wer in dieser knappen Zeitspanne Atemnot und Erstickungsgefahr vermeiden möchte, der wird eine, vielleicht zwei Aussagen pro Folie platzieren können. Somit vermeidet man das oben erwähnte „schaut her was ich alles weiß“-Extrem. Eine Präsentation sollte niemals den Redner preisen, sondern immer dem Publikum nutzen.
Das nach 20 Sekunden immer ein automatischer Folienwechsel folgt erfordert vom Redner diese Präsentation zu üben, zu üben und dann anschließend zu üben. Wer intensiv übt, kennt seine Folien, beherrscht seinen Redetext und weiß genau, an welchen Stellen noch Spielraum ist. Das Publikum nimmt Redner die ihre Inhalte beherrschen und souverän vortragen meist auch als besonders kompetent und charismatisch war. Üben ist und bleibt das beste Mittel gegen Lampenfieber.
Pecha Kucha Veranstaltungen gibt es Dank einer lebendigen Community mittlerweile in ganz Deutschland. Wer sich mit diesem Format einmal näher beschäftigen möchte, sollte neben den unzähligen Videos im Internet auf alle Fälle auch einmal das Live-Erlebnis mitnehmen.
Ein gerne vorgebrachtes Argument gegen das Format, ist die Bedeutung des eigenen Themas. Natürlich gibt es wenig Themen, die man in so kurzer Zeit in ihrer Gesamtheit präsentieren kann. Wer jedoch so argumentiert läuft Gefahr, die oben erwähnte goldene Regel zu verletzten und vergisst dabei auch die silberne Regel einer guten Präsentation.
„Eine Präsentation ist immer der Moment, indem der Redner Kontakt zum Publikum aufbaut“.
Und wenn das Publikum Interesse hat, diesen Kontakt zu intensivieren, dann wird es das dem Redner nach den 6:40 Minuten schon mitteilen.
Ein Thema endet nicht nach einer Präsentation, sondern fängt erst danach an, für das Publikum zu existieren. Im Idealfall ist eine Präsentation „nur“ die Sekunde, die ein Leben verändert.
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Wer mehr über Pecha Kucha und die Kunst, kurz und prägnant auf den Punkt zu präsentieren, erfahren möchte, sollte das Pitch Boot Camp besuchen.