Gegenwart als Innovation

24. April 2018

Was ist Innovation? Mit Sicherheit der frei in den Raum projizierte, gestochen scharfe Bildschirm. Elon Musks Hyperloop. Das Hoover-Board, für alle die „Zurück in die Zukunft“ lieben. Und natürlich Segways, laut Innovationsexperten das innerstädtische Verkehrsmittel der Zukunft.

Innovation ist technologischer Fortschritt, etwas Neues was noch nie dagewesen ist. Innovation ist Zukunft und die will am besten jeder im Sinne seines Unternehmens sowie seiner Kunden und Anteilseigner selbst definieren. Kein Wunder also, dass heutzutage jedes Unternehmen der „Innovationsführer“ ist, in dem der neue geschaffene Bereich des „Chief Innovation Officers“ auf eine „Zukunftsstrategie“ setzt die „künftige Technologien“ fördert, um „neuartige Produkte und Dienstleistungen“ über die „modernen Marketing- und Vertriebsansätze“ an die „Kunden von morgen“ zu bringen.

Wer jedoch nur in die Zukunft blickt, läuft Gefahr den Kontakt zur Gegenwart zu verlieren. Das kann fatal sein. Vor allem für die Innovationskraft eines Unternehmens.

Nimmt man einmal zwei der in den vergangenen Jahren populärsten Innovationen und schaut sich deren Entwicklungsgeschichte genauer an, stellt man fest, dass die Entwicklungsteams weniger an der Zukunft, sondern vielmehr an der Gegenwart arbeiteten.

Das iPhone z.B. war nicht das erste Smartphone. Es war sogar in einzelnen Disziplinen wie dem Frequenzband, der Kamera und der Sprachqualität beim Telefonieren anderen Mobiltelefonen unterlegen. Die Möglichkeit Apps aus einem Store zu installieren gab es bereits bei Nokia. Und die typischen Bürofunktionen wie E-Mail, Kalender und To-Do-Listen beherrschten die Blackberry-Geräte weitaus besser.

Das iPhone hatte jedoch, ungeachtet von dem eleganten Design, den unglaublichen Vorteil, dass alle diese Funktionen einfach zu nutzen waren. Gerät kaufen, SIM-Karte rein, ein leicht verständliches und kurzes Installationsmenü und schon konnte man telefonieren, Fotos aufnehmen, Musik hören, Mails versenden usw. Wer im Jahr 2005 mit einem Nokia versuchte, Apps auf einem Symbian-Betriebssystem zu installieren oder Zugriff auf seine Mails zu erhalten, für den war das iPhone eine echte Innovation. Verschachtelte Menüs, kryptische Konfigurationseinstellungen und eine daumengelenksschädigende Bedienung schienen plötzlich vergessen.

Über die Entwicklung des iPhones und das zugehörige Geschäftsmodell wurde bereits viel geschrieben (es lohnt sich diese Publikationen zu lesen). Das wirklich innovative war jedoch nicht das Geräte an sich, sondern dass es ein konkretes Problem der Gegenwart löste, nämlich die viel zu kompliziert gewordenen Konfigurationsmechanismen der damaligen Mobiltelefone.

Eine zweite große Innovation der letzten Jahre sind digitale Plattformstrategien, sprich der Ansatz Anbieter und Abnehmer schnell und einfach zu verbinden. Das ist zweifelsohne das Geschäftsmodell der 2010’er Jahre. Amazon, eBay, Uber und AirBnB machten es vor, unzählige StartUps machen es nach.

Nachdem das Online-Business eine immer größere Akzeptanz im Privatkundensegment fand, begannen die meisten Unternehmen ihre Produkte und Services auch digital anzubieten. Wer z.B. eine Hotelübernachtung buchen wollte, ging auf die Internetseiten der einzelnen Hotels und recherchierte dort Verfügbarkeit und Preise. Das Problem war nur, dass der Vergleich mehrerer Angebote untereinander sehr zeitaufwendig werden konnte und es auch das initiale Problem gibt, alle relevanten Anbieter erst einmal finden zu müssen.

Reiseplattformen die Angebote bündeln, wie z.B. Expedia, HRS oder booking.com, lösen dieses Problem für den Endkunden. Es genügt nur noch eine Seite, um einfach und schnell alle relevanten Angeboten zum jeweils günstigsten Preis zu sehen (so zumindest das Werbeversprechen). Und mit der Zeit wurden diese Angebote noch um passende Flugreisen, Mietwagen und weitere Reisedienstleitungen erweitert, welche nun ebenfalls nicht mehr individuell recherchiert werden müssen.

Auch hier gilt, dass die große Innovationskraft von digitalen Plattformen nicht in der technischen Implementierung liegt, sondern darin, das Problem der Kunden zu lösen, bei den ganzen Angeboten den Überblick zu behalten. Und das nicht nur bei Preisen, Verfügbarkeiten und passenden Zusatzleistungen, sondern auch hinsichtlich Benutzername, Kennwörter und getätigter Transaktionen.

Wer also Innovationsführer sein möchte, der sollte seinen Fokus nicht nur auf die „neusten Technologien“ und die „Märkte der Zukunft“, sondern vor allem auf die alltäglichen Probleme der Gegenwart richten. Wer diese heute am besten versteht und mit seinen Produkten und Dienstleistungen akzeptable Lösungen anbietet, der wird als innovativ wahrgenommen und kann somit auch die Zukunft im Sinne seines Unternehmens sowie seiner Kunden und Anteilseigner definieren.

Technologische Entwicklungen hingegen, so faszinierend sie auch sind, die in der Gegenwart keinen Platz haben, weil sie keine Probleme oder vorhandene zumindest nicht ebenbürtig zu den etablierten Alternativen lösen, eignen sich auch nicht um die Zukunft zu definieren.

Trotz der Prognose von Steve Jobs zum innerstädtischen Verkehrsmittel der Zukunft aus dem Jahr 2001 schafft es Segway bisher nicht, dem Fahrrad ernsthafte Konkurrenz zu machen.


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