Die Kraft einer guten Geschichte

24. April 2018

Warum verfolgen wir mit voller Aufmerksamkeit über drei Stunden lang, wie vier kleine Winzlinge einen Ring durch die Landschaft tragen, kämpfen jedoch nach spätestens drei Minuten Präsentation der letzten Umsatzahlen gegen Langweile und Müdigkeit? Dabei sind die Umsatzzahlen für uns und unseren Job vermutlich wichtiger als so ein Ring. Obwohl, mit dem könnte man sich unsichtbar machen und damit der langweiligen Präsentation entfliehen.

Nun, das eine ist eine spannende Geschichte, das andere allzu oft eine Ansammlung von Zahlen, Daten und Fakten. Die sind zwar wichtig, denn verbinden sie sich doch zu Informationen die wir wiederum für Analysen und Entscheidungen brauchen. Allerdings ist es nun einmal sehr schwer sich länger Zeit darauf zu konzentrieren.

Zahlen, Daten und Fakten verarbeiten wir in den Gehirnregionen, die für das logische Denken verantwortlich sind. Und diese Regionen benötigen sehr viel Energie. Immerhin müssen wir die häufig isolierten Informationsfragmente aufnehmen, diese in eine für uns relevante Ordnung bringen und entscheiden, ob wir uns jetzt freuen, und den teuren neuen Wagen bestellen, oder doch lieber fürchten, und besser mal den (ebenfalls) teuren Urlaub stornieren sollen.

Geschichten hingegen sprechen die Teile unseres Gehirns an die, uns „etwas fühlen lassen“. Der Wechsel aus Spannung, Humor und Dramatik lässt unsere Aufmerksamkeit auf einem konstant hohen Niveau. Sei es, weil wir wissen wollen was als Nächstes passiert (Spannung), wir vor Freude Lachen können (Humor) oder Mitgefühl empfinden (Dramatik). Geschichten wecken Emotionen.

In Präsentationen haben Geschichten neben einer gesteigerten Aufmerksamkeit noch einen weiteren Vorteil. Werden Inhalte in Form einer Handlung dargestellt, können Zuhörer diese viel einfacher auf ihre eigene Situation reflektieren. Eine gute Geschichte wirkt wie eine Art Katalysator für die relevanten Informationen der Präsentation. Menschen können nicht „nicht in Bildern denken“. Sobald wir etwas hören und verstehen, haben wir ein Bild vor Augen. Erst grob, doch mit fortlaufender Handlung wird dieses Bild immer schärfer. Wir beginnen quasi die Handlung, und damit die Inhalte der Präsentation, selbst zu erleben. Demzufolge können wir besser und einfacher hinsichtlich der persönlichen Relevanz entscheiden und uns im Nachgang auch besser an die Präsentation erinnern.

Damit eine Geschichte auch funktioniert und beim Publikum ankommt muss sie glaubwürdig und nachvollziehbar sein. Was man sich nicht vorstellen kann, kann auch keine relevanten Bilder im Kopf erzeugen. Insbesondere jedoch muss sie die Gefühle und das Wertesystem des Publikums ansprechen. Es gibt per se keine irrelevanten oder langweiligen, sondern nur unpassende Geschichten. Jene Handlung, die ältere, überwiegend männliche Marketingfachleute begeistert, kann wahrscheinlich für junge, überwiegend weibliche Ingenieurinnen völlig unpassend sein. Gelingt es dem Redner nun, die für das Publikum passende Geschichte zu erzählen, dann baut er eben jene einzigartige emotionale Verbindung auf, welche ihm Aufmerksamkeit und die Auseinandersetzung mit dem Thema sichert.

Die Aufgabe des Redners ist es somit, eine nachvollziehbare Handlung zu finden die zu den Informationen passt, das Publikum persönlich anzusprechen und über die Klaviatur der Emotionen die Aufmerksamkeit des Publikums konstant hoch zu halten.

Das klingt nach viel Arbeit und das ist es auch. Eine gute Geschichte zu finden, sie in die eigene Präsentation einzubauen und daraus einen Appell abzuleiten, der eine nachhaltige Wirkung entfaltet dauert Tage, wenn nicht sogar Wochen. Daher eignen sich Geschichten vor allem dann, wenn es darum geht eine sehr relevante Information für das Publikum zu vermitteln. Das kann eine bedeutende Veränderung sein, eine neue Strategie, eine Investitionsentscheidung, die Vorstellung eines neuen Produkts etc. Aber genau das sind auch die Momente, „in denen es darauf ankommt“.

Gute Geschichten finden sich überall und jederzeit. Es existieren Geschichten die älter sind als die Menschheit (z.B. das Leben der Dinosaurier, welches sehr gut erforscht ist) und jeden Tag werden in Zeitungen und sozialen Medien neue Geschichte erzählt. Die beste Quelle ist aber immer noch der Redner selbst. Nichts kann er authentischer und emotionaler erzählen, als seine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen. Und wer so agiert, baut auch ohne Weiteres eine Verbindung zum Publikum auf.

Und darin liegt auch die Kraft einer guten Geschichte. Sie schafft es, die Emotionen von vier kleinen Winzlingen auf das Publikum zu übertragen.

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