Schnell, schnell mal agil

24. April 2018

„Wir müssen schneller werden“
Landauf, landab fordern CEOs ihre Belegschaft auf schneller in der Umsetzung zu werden. Geschwindigkeit ist heutzutage keine Kür mehr, sondern knallharte Pflicht.

Sie kann entscheidend für den unternehmerischen Erfolg sein. Nicht nur, um sich gegen die Konkurrenz zu wehren, sondern auch, um im Blickfeld der Kunden zu bleiben. Wer permanent neue Produkte, Services und Funktionen anbietet, genießt entsprechend oft Aufmerksamkeit. Ein nicht zu unterschätzendes Gut in Zeiten immer kürzer werdender Schlagzeilen und YouTube-Videos.

Und glücklicherweise wurde das Streben nach Geschwindigkeit bereits vor Jahren erkannt und unter dem Schlagwort „Agilität“ auch geschickt vermarktet. Was in der Softwarebranche Anfang der 2000’er Jahre mit dem Scrum-Vorgehensmodell begann, erzielte in den Folgejahren enorme Popularität in allen Branchen. Vorbei die Zeit „klassischer“ Projekte, die trotz langwieriger und kostenintensiver Planungs- und Konzeptionsphasen, selten Budget- und Zeitpläne einhielten. Ab jetzt, einen Zahn zulegen!

Doch leider begehen viele Unternehmen den Fehler, Agilität einseitig mit einer höheren Geschwindigkeit gleichzusetzen. Schön zu erklären am Beispiel der Softwareentwicklung.
Klassisch plant man neue Versionen in halb- oder einjährigen Releases. Bei Scrum plant man die Entwicklungsarbeit jedoch häufig in zwei- oder vierwöchigen Sprints. Das bedeutet allerdings NICHT, dass ein Entwicklerteam nun in vier Wochen Ergebnisse liefert, für die es vorher ein Jahr benötigte. Scrum hat viele Vorteile, führt jedoch nicht dazu, dass Entwickler plötzlich schneller Code schreiben.

Agilität bedeutet vielmehr, sich schnell anzupassen. An den Markt, an sich ändernde Kundenbedürfnisse, an den technischen Fortschritt. Das ist das Ziel von Ansätzen wie Scrum, Kanban und Lean-Development. In volatilen Märkten, in denen Kundenbindungen schwach, Innovationszyklen kurz und die zu lösenden Probleme komplex sind, kann es sich kein Unternehmen erlauben, monatelang umfangreiche und teure Konzepte zu entwickeln. Bis solche Konzepte fertig sind, haben sich die relevanten Rahmenbedingungen bereits zweimal verändert.

Anstatt viele, langwierige Projekte parallel durchzuführen konzentrieren sich agil arbeitende Unternehmen auf Aufgaben, welche kurzfristig planbar und deren Ergebnisse recht gut zu prognostizieren sind. Sie drehen nicht das „große Rad“, sondern machen einen kleinen Schritt nach dem anderen. Sobald sie erkennen, dass etwas nicht in die gewünschte Richtung führt, wird das einfach mit dem nächsten Schritt korrigiert.

Auch wenn verstanden wurde, dass Agilität nicht einfach nur „schneller“ bedeutet, ist es dennoch eine große Herausforderung, die scheinbar einfachen Vorgehensmodelle in Unternehmen zu implementieren. Und das, obwohl die doch auf ein bis zwei Seiten sehr anschaulich erklärt werden.

Das Problem ist häufig, dass viele Führungskräfte die Prinzipien der Agilität, meist unbewusst, dadurch konterkarieren, indem sie mit klassischen Managementinstrumenten versuchen deren Einführung voranzutreiben. Verständlich. Wer es gewohnt ist, autoritativ mit Zeitplänen, Budgets, Umsetzungsphasen und Freigabemechanismen zu führen, tut sich schwer, Verantwortung und Kontrolle auf die Arbeitsebene zu verlagern. Das in den Augen der Führungskräfte natürlich nicht sie, sondern die Mitarbeiter „noch nicht dazu bereit sind“, ist eine anderer Blog-Post 😉

Viele Unternehmen vergessen auch im Vorfeld zu klären, welche Notwendigkeit denn überhaupt besteht, sich agiler aufzustellen. Auch wenn es vor allem in der Softwareentwicklung einen sehr starken Trend hin zu den agilen Arbeitsmethoden gibt, bedeutet das noch lange nicht, dass diese den klassischen Methoden per se überlegen sind. Immer wenn Qualität einer der erfolgsrelevanten Faktoren ist oder sich die Rahmenbedingungen des Marktes kaum bzw. stets mit langer Vorlaufzeit ändern (z.B.Systeme zur Lohn- / Gehaltsermittlung), sind die klassischen, konzeptorientierten Arbeitsmodelle, keinen Deut schlechter. Manchmal sogar besser geeignet.

Zumal viele auch nach den ersten Problem’chen der Mut verlässt. Die Folgen sind dann abenteuerliche Misch-Formen aus klassisch und agil. Kleinere Arbeitspakete alleine oder tägliche, 15-minütige Teammeetings im Stehen führen nicht zu Agilität, wenn das Team erst noch auf die Freigabe eines Konzepts warten muss.

Am wichtigsten ist jedoch zu verstehen, dass die lehrbuchmäßige Umsetzung eines agilen Vorgehensmodells für sich alleine noch kein Erfolgsgarant ist. Auch nicht in volatilen Märkten. Immer den neusten Trends zu folgen oder jeden Kundenwunsch zu erfüllen ist mehr Aktionismus als Agilität.

Wer langfristig erfolgreich und profitabel sein möchte, muss bereit sein, neue Produkte und vor allem neue Wertschöpfung am Markt zu schaffen. Das Ziel sollte daher nicht einfach die schnelle Wandlungsfähigkeit sein, sondern ein Unternehmen aufzubauen, welches die Zukunft gestaltet.

CEOs sollten daher besser fordern:
„Wir müssen ambitionierter werden“


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